Essbare Stadt – macht Spaß, tut gut, schmeckt gut

Wer vor der Polizeistation in Todmorden einen tiefen Griff ins Beet wagt, um sich mit Zwiebeln, Erbsen oder Möhren zu bedienen, erntet zusätzlich noch ein freundliches Grinsen. Denn in der kleinen nordenglischen Stadt gilt das Motto „incredible edible“ – unglaublich essbar. Und die Polizeistation ist mittlerweile Touristenattraktion.

Alles begann im Jahr 2008 mit einem kleinen Gemüsegarten am Bahnhof und dem Schild „Bedient Euch“. Das Konzept entwickelten Pam Warhust und Ihre Freundin Mary Clear am Küchentisch. „Wir haben nur versucht, eine einfache Frage zu beantworten: Können wir eine gemeinsame Sprache finden, die über Alter, Einkommen und Kultur hinweg verstanden wird und die den Leuten hilft, einen neuen Lebensweg einzuschlagen, den Ort an dem sie leben anders zu sehen und anders über die Ressourcen nachzudenken, die sie verbrauchen und anders miteinander umzugehen?“ Die Antwort auf diese Frage war „Essen“, wir nennen es „Propaganda Gärtnern“, sagt Pam Warhust. „Wir haben niemand um Erlaubnis gefragt und wir lassen uns auch nicht einschüchtern von dem Argument, dass kleine Taten wirkungslos sind angesichts der Katastrophen von morgen. Wir tun es einfach“.

Die Resonanz war riesig. Heute wachsen in der ganzen Stadt Obst, Gemüse und Kräuter für alle. Pflücken und Ernten ausdrücklich erlaubt Es gibt essbare Wandelpfade, alle Schulen machen mit, die Behörden, die Feuerwehr, Altenheime, Landwirte und natürlich auch die Tourismusindustrie.

Gärtnernd die Stadt verändern, den ökologischen Fußabdruck verringern, wieder mehr Verbindung zur Stadt, zur Natur und den Menschen gewinnen, die ökologische Vielfalt und eine lebendige Stadtlandschaft fördern, das wird für viele Menschen immer wichtiger. „Die Zeit ist reif, die Leute wollen etwas tun, sie wollen an guten Taten teilhaben und sie wissen genau, dass es an der Zeit ist, Verantwortung zu übernehmen und einander freundlich zu begegnen….“, sagt Pam Warhust. So wurde aus dem englischen Konzept von „incredible edible“ das Motto „Unvergessbar Essbar“ im hessischen Universitätsstädtchen Witzenhausen. Hier hat die Transition Town Initiative den Grundstein gelegt und Mitstreiter gefunden, um einen essbaren Wandelpfad durch die Stadt zu gestalten, in Kürze findet dort die Essbare Städte Konferenz statt.

Burggraben-Gesa Maschkowski

Auch die „Essbare Stadt Andernach“, macht mittlerweile national und international Schlagzeilen. „Wenn ich geahnt hätte, was wir hier lostreten, dann hätte ich mir das vielleicht noch einmal überlegt“, meint Lutz Kosack, Geoökologe bei der Stadtverwaltung und einer der Initiatoren des Projektes. In Andernach war es eine Initiative von Verwaltung, Politik und Wirtschaft, die den Stein ins Rollen gebracht hat. Im Jahr 2010 wurde erstmalig an der alten Mauer im Burggraben Gemüse zum Selbsternten gepflanzt, in diesem Fall über 100 verschiedene Tomatensorten. Heute kann man futternd und Blumen pflückend durch die Stadt wandeln oder sich etwas außerhalb am größten Permakulturgarten in öffentlicher Hand erfreuen. Am meisten Spaß macht Kosack aber nicht das Gemüse in der Stadt, sondern die Menschen, die sich daran freuen.

Städte wieder „essbar“ machen hat jedoch nicht nur etwas mit Biodiversität zu tun oder einem neuen Modetrend. Es gibt zunehmend mehr Städte die schlichtweg die lokale Nahrungsversorgung verbessern wollen, um die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen und globalen Warenströmen zu verringern. „Städte wie London  können die Lebensmittelversorgung nur 3 Tage aufrechterhalten, sollten sie einmal von der Zufuhr abgeschnitten werden“, sagte Marie Dubbeling, Direktorin der RUAFF Foundation auf der Konferenz Resilient Cities, die gerade in Bonn statt fand. Städtische Nahrungserzeugung kann helfen Krisen zu überstehen, Ausgaben zu reduzieren, Ressourcen zu sparen und einen Beitrag leisten zur Anpassung an den Klimawandel, meinte Dubbeling.  Die niederländische Stadt Almere beispielsweise strebt an ihre 350.000 Einwohner zu 20 % mit lokalen Lebensmitteln zu versorgen. Ähnliche Programme gibt es in  vier weiteren Städten, darunter auch Rotterdam.

In Bonn gibt es von städtischer Seite noch keine vergleichbaren Aktivitäten, aber offensichtlich Interesse. So wurde Lutz Kosack bereits von der Bonner grünen Stadtratsfraktion eingeladen, um über seine Erfahrungen zu berichten, einige städtische Mitarbeiter nutzen die Konferenz „Essbare Stadt Andernach“, um sich ein Bild von dem Treiben im Nachbarstädtchen zu verschaffen.

Spielstadt-Gesa MaschkowskiGleichzeitig gibt es eine lebendige Urban Gardeningszene. Allen voran mit längster Tradition natürlich die Kleingartenvereine, die es an den Bahngleisen und manchem grünen Fleck leuchten und blühen lassen und viele liebevoll gepflegte Privatgärten, wie zum Beispiel der Ornamentale Gemüsegarten Hersel. Dann die Internationalen Gärten, auf dem Gelände der ehemaligen Bonner Stadtgärtnerei, koordiniert vom Wissenschaftsladen Bonn, der auch die verwunschene Spielstadt am Messdorfer Feld wiederbelebt hat und gemeinsam mit der Brotfabrik die kultur- und kinderfreundliche Veranstaltungsserie „Kunst ohne Strom“ gestartet hat.

Doch nicht jeder hat ein Stückchen Land zu Verfügung, das Glück eine Parzelle im Kleingärtnerverein zu ergattern oder möchte alleine in der Erde herum graben, so entstehen auch in Bonn immer mehr Gemeinschaftsgärten. Zu den Pionieren gehören die Young Organics auf dem Messdorfer Feld, und der Bonn-im-Wandel Gemeinschaftsgarten in Vilich-Müldorf. Auch der Garten in Burg Lede am Ortsrand von Vilich wurde von einer Gruppe gartenbegeisterte Menschen wiederbelebt. In diesem Frühjahr ist auf einem stillgelegten Spielplatz in der Maxstraße nach dem Modell der Berliner Prinzessinnengärten der erste Gemeinschaftsgarten in der Bonner Altstadt entstanden, der Veedelsgarten. Auch im Mackeviertel haben die Bewohner ein Fleckchen Erde vor der Bebauung gerettet um es gemeinschaftlich zu bepflanzen. Die Bonner Urban Gardening Webseite Greenact hat noch mehr Projektideen, z.b. einen  interkulturellen Garten auf dem Dach des Kult 41,

Kein Urban Gardening Projekt, aber echte städtische Landwirtschaft ist auch das Projekt Solidarische Landwirtschaft auf Gut Ostler, das die Bonn im Wandel-Gruppe Nachhaltige Lebensmittelversorgung gestartet hat, Über 80 Bonner Bürger sorgen seit diesem April dafür, dass hier wieder mehr Gemüse angebaut wird. Auch die Selbsterntegärten sind ein Modell der städtischen Nahrungsversorgung, nach dem Motto „der Bauer sät und die Verbraucher jäten und ernten“. Die Vernetzung zwischen regionaler Lebensmittelerzeugung und Schulverpflegung wiederum steht auf der Agenda der Arbeitsgruppe „Zukunftsgärten“, die auch hier auf der Website zu finden ist. Viel Potential also für eine Essbare Stadt Bonn.

Links und Veranstaltungstipps

Im Juni 2013 finden gleich mehrere Konferenzen zum Thema Essbare Stadt statt:

Quelle: Gesa Maschkowski, www.aid.de,
ergänzt von Gesa Maschkowski, Bonn im Wandel 🙂

 

 

Eine Antwort auf „Essbare Stadt – macht Spaß, tut gut, schmeckt gut“

  1. Danke für den Interessanten Artikel 🙂

    Bei dem Satz „Auch die Selbsterntegärten sind ein Modell der städtischen Nahrungsversorgung, nach dem Motto “der Bauer sät und die Verbraucher jäten und ernten”.“ musste ich leider daran denken, dass bei unseren Selbsterntegärten längst nicht alles rund gelaufen ist. Das Projekt an sich ist sinnvoll, aber die Umsetzung war nicht zufriedenstellend. Das kann Gut Ostler noch deutlich besser!

    Viele Grüße,

    Markus

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